PANDIT KAMALESH MAITRA 28.04.1924 - 22.04.2005
MUSIKER UND KOMPONIST DER NORDINDISCHEN KLASSIK
Mit diesen Seite möchten wir an ihn und sein vielfältiges musikalisches Werk
erinnern.
Da meist nur seine Schaffenszeit in Deutschland und Europa bekannt ist, soll
hier vor allem auf seine Zeit in Indien eingegangen werden, auch wenn die
in diesem Zusammenhang genannten Personen hierzulande oftmals unbekannt sind.
Biographie
PANDIT KAMALESH MAITRA
Ein Leben zwischen zwei Kontinenten
Ich habe die Ladung gehabt zum Fest dieser Welt, und so ist mein Leben
gesegnet. Meine Augen haben gesehn, meine Ohren gehört. Mein Teil auf diesem
Feste war, mein Instrument zu spielen, ich habe alles, was ich konnte, getan.
Nun frag ich, ist endlich die Zeit mir gekommen, wo ich eintreten darf und
dein Antlitz sehn und dir schweigend bieten meinen Gruß?
Rabindranath Tagore
Kamalesh Maitra wurde 1924 im Bezirk Tangail, das heute zu Bangladesh
gehört, in einer ayurvedischen Arztfamilie geboren. Wenig später zog die
Familie nach Kalkutta um. Obwohl Musik in der Familie immer schon eine Rolle
spielte, wurde er erst hier über die Musik, welche aus einem Nachbarhaus
erklang, davon fasziniert. Ungeachtet der Missbilligung seiner Familie bekam
er von diesem Nachbarn, einem Sänger, ab 1940 seinen ersten Unterricht im
Tablaspiel. Als die Auswirkungen des 2. Weltkrieg auch Kalkutta erreichten,
zog die Familie nach Benares und hier setzte Kamalesh Maitra als junger
High School Student seine Tablaausbildung unter der Anleitung von Prof. Vasudev Chatterjee
fort, einem Schüler von Pandit Kanthe Maharaj aus der Benares Gharana.
Mit der Familientradition brechend zog Maitra alleine nach Lucknow und bestritt
dort seinen Lebensunterhalt bei einer Versicherungsgesellschaft. Seine Suche
nach einem Tablalehrer in Lucknow führte ihn zu Sudharsan Adhikari,
Schüler von Ustad Wajid Hussein Khan, dem Hauptvertreter
der Lucknow Gharana. Hier lernte er auch Ustad Ali Akbar Khan
kennen, der damals in Lucknow beim All India Radio arbeitete.
Nach Ende des 2. Weltkriegs kehrte Kamalesh Maitra mit der Versicherung,
für die er arbeitete nach Kalkutta zurück. Er trat beim Shivpur Musical Competition
auf und gewann den ersten Preis. Im Zuge dieser Veranstaltung kam er auch
mit Ustad Keramatulla Khan von der Farukhabad Gharana in
Kontakt und wurde von ihm 1946 als sein Schüler angenommen. In der folgenden
Zeit etablierte sich Kamalesh Maitra als Tablaspieler in Kalkutta.
Hier entschied er sich, auch unter dem Einfluss des Uday Shankar Films "Kalpana"
und der Bühnenproduktion "Discovery of India" von Pandit Ravi Shankar,
sein Leben ganz der Musik zu widmen. Sudharsan Adhikari, sein Tablalehrer
in Lucknow, der für die Bühnenproduktion "Discovery of India"
engagiert war, ermöglichte einen ersten Kontakt mit Pandit Ravi Shankar.
Durch einen befreundeten Sitarspieler kam er in Kontakt mit Amala Shankar,
die in Kalkutta nach Musikern für das Uday Shankar Ballett Ausschau
hielt und wurde engagiert. Innerhalb weniger Tage kündigte Maitra den sicheren
Job bei der Versicherungsgesellschaft und ging nach Madras, um bei Uday Shankars
Tänzern und Musikern als Master Drummer mitzumachen. Die Bedingung
für dieses Engagement war, das Spiel der Tabla-Tarang zu erlernen - bis
zu 16 auf einen Raga gestimmte Tablas, auf denen man Melodien spielt. Uday Shankar
hatte für seine Bühnenproduktionen dieses Instrument in seine umfangreiche
Instrumentensammlung integriert. Von Amala Shankar befragt, ob er Tabla-Tarang
spielen könne, kündigte er an, innerhalb von 6 Monaten jedes Instrument
erlernen zu können. So kam es 1950 zu seinem Engagement für Uday Shankar.
Sein erster Mentor wurde Sishir Sobhon Bhattacharya, ein Bruder
des berühmten Komponisten Timir Baran und langjähriges Mitglied des
Uday Shankar Trainingcenter in Almora. Obwohl auch Bhattacharya dieses
Instrument nie gespielt hatte, konnte er doch Kamalesh Maitra die grundlegenden
Techniken der Tabla-Tarang lehren. Uday Shankar ermutigte den Newcomer
seine eigene Technik zu entwickeln und so erarbeitete er sich nach einem
8-Stunden Arbeitstag mit den Tänzern dieses Instrument.
Kamalesh Maitra als MUSTER DRUMMER des Uday Shankar Balletts in den frühen 50er Jahren.
Uday Shankar, Amala Shankar und ihre Tochter Mamata an der
Großen Mauer, China 1957,
Kamalesh Maitra und andere Mitglieder, begleitet von einer Gruppe chinesischer
Tanzstudenten.
Dies war der Beginn einer langen und erfolgreichen Zusammenarbeit mit
Uday Shankar und seiner Truppe, die über 20 Jahre anhielt. Erste
Tourneen führten die Truppe 1951-52 in die Vereinigten Staaten, Kanada
und Europa. Und als Lalmani Misra, bis dahin Musikdirektor der Balletttruppe,
1953 ging bekam Kamalesh Maitra die Verantwortung für die musikalische
Abteilung.
1955 rief die indische Regierung die Sangeet Natak Akademy ins
Leben, die heute in Kalkutta Rabindra Bharati University heißt.
Neben Uday Shankar, als einer der Direktoren an der Academy, wirkte
auch Kamalesh Maitra mit und verbrachte die nächsten vier Jahre als
Orchesterkomponist und Assistent in der Manipuri-Tanz-Abteilung an der Akademy.
Im gleichen Jahr öffnete das Ali Akbar Khan College of Music
in Kalkutta. Kamalesh Maitra trat dem College bei und erhielt Unterricht
auf der Sarod sowohl von Ustad Ali Akbar Khan wie auch von
Srimati Annapurna Devi. Ein Jahr später wurde Maitra dann auch
formell Musikdirektor von Uday Shankars Ballett. Im gleichen Jahr
fand die Premiere des 2½- stündigen Uday Shankar Tanzdramas
"The Great Renunciation - Life of Buddha" statt,
für das er die Musik schrieb.
1957 folgte, nach einer Einladung von Chou EnLai, eine China Tournee
der Balletttruppe. Dabei wurde auch Kamalesh Maitras Musik erstmalig
aufgenommen und im Rundfunk gesendet.
Zwischenzeitlich wurde Maitra auch als Sarod, Tablaspieler und Musikdirektor
von Jog Sunder für seine Indian Revival Group (1958) engagiert.
Hierbei bearbeitete er die aus allen Teilen Indiens für die Gruppe gesammelten
Musikstücke und tourte die nächsten Jahre mit ihnen durch Nepal, Türkei,
das damalige Jugoslawien, Marokko, Ägypten, Libanon und Ungarn. In Budapest
wurde zum ersten Mal außerhalb Indiens sein Tabla-Tarang Solo fürs
Fernsehen aufgezeichnet.
Die 60ziger Jahre waren eine Zeit großer Produktivität für Kamalesh Maitra.
So arbeitete er am Uday Shankar Culture Center sowie mit
Uday Shankars Balletttruppe selbst. Daneben komponierte und arrangierte
er Musik für Dokumentarfilme, Bühnenproduktionen und Tanzdramen. Dazu zählt
z.B. auch seine Musik für das Tanzdrama "Meghnath Bodh", das mit rund
hundert Künstlern bei der Aufführung in Kalkutta Furore machte.
Mit einer eigenen Tänzer- und Musikertruppe, den United Artists of India,
reiste er mit seinem Programm "Glimpses of India" durch Indien.
Daneben war er ein regelmäßiger Gastmusiker bei Filmmusikproduktionen. Auch
für das von 1964 bis 1965 produzierte Tranzdrama "Prakriti and Ananda"
von Uday Shankar, nach einem Stück von Rabindranath Tagore (Chandalika),
komponierte und arrangierte Kamalesh Maitra die Musik. Ein paar Jahre
später, 1968, ging er zum zweiten mal mit der Uday Shankar Company
auf eine Tournee in die Vereinigten Staaten und Kanada. Im gleichen
Jahr tourte er auch mit Amala Shankar nach Bhutan und im Vorfeld der
Weltausstellung EXPO '70 nach Japan. In Tokio gab er mit der Tabla-Tarang
ein Solo-Konzert im Fuji TV. In Kalkutta trat er in der renommierten
Dover Lane Conference, dem Bongio Sanskriti Parisad
Festival und bei anderen Gelegenheiten auf. In dieser Dekade machte Kamalesh
Maitra auch ein Examen -Sangeet Probhakar - an der Musikhochschule
Proyag Sangeet Samiti in Allahabad.
Kamalesh Maitra mit seiner Tabla-Tarang auf der Japan-Tour 1968.
Kamalesh Maitra mit Pandit Ravi Shankar, Berlin, 1985.
Mit "Shankar Scope", dem letzten großen Werk Uday Shankars,
erlangte Kamalesh Maitra für seine Kompositionen - Lieder wie auch
Instrumentalmusik - große Beachtung. Diese abwechslungsreiche Show, die
sogleich ein Kassenschlager war, kombinierte Film mit Theater und wurde
1970 uraufgeführt. Vor dieser letzten Zusammenarbeit mit Uday Shankar
übernahm er die musikalische Leitung des Star Theaters in Kalkutta.
Vier Jahre später wurde er von Pandit Ravi Shankar, dem jüngeren
Bruder Uday Shankars, zur Teilnahme an dessen Musik Festival From India
zur Tournee in die Vereinigten Staaten, Kanada und Europa eingeladen -ein
Projekt, das von George Harrison produziert wurde. Zum großen Metamusik Festival 1976
in Berlin war Kamalesh Maitra als Tabla-Tarang-Solist eingeladen.
Cover der LP-Produktion Music Festival from India, 1976. Stehend, von
links nach rechts: Kamalesh Maitra, Satyadev Pawar, Harihar Rao,
Vijji Shankar, Lakshmi Shankar, Kamala, T.V. Gopalkrishnan, L. Subramaniam,
Kumar Shankar, Kartick Kumar. Sitzend, von links nach rechts:
Gopal Kishan, Veenkar, Anantlal, Rijram Desad, Alla Rakha,
Ravi Shankar, Georg Harrison, Shivkumar Sharma,
Hariprasad Chaurasia, Sultan Khan.
Der Tod Uday Shankars im Jahr 1977 fiel zusammen mit einer Einladung
der in Berlin ansässigen deutsch-indische Tanzschule Nataraj, worauf
Maitra sich entschloss, nach Berlin zuziehen und dort zu unterrichten.
Ein Resultat seiner vielfältigen Konzertaktivitäten in Europa war ein reges
Interesse von Schülern und Musikern bei ihm indische Musik zu erlernen.
Aus diesem Grund gründete er 1980 in Berlin sein Ragatala Ensemble,
in dem sowohl indische wie auch westliche Musikinstrumente integriert waren
und für das er Stücke auf der Basis der nordindischen klassischen Raagmusik
komponierte. Ab 1982 begann Kamalesh Maitra an der Musikschule Wilmersdorf
klassische indische Musik für Gesang und Instrument zu unterrichten. Zur
gleichen Zeit wuchs auch sein Ensemble an und schließlich unternahmen sie
Tourneen nach Spanien (1984), Indien (1989, 1994) und mit
den Jahren in alle Teile (West-)Deutschlands. Zwischen 1983 und 1988 gehörte
Kamalesh Maitra zu den Musikern, die mit Joachim Ernst Berendt
und seinem "Nada Brahma, Die Welt ist Klang"- Projekt
auf Tourneen nach Österreich, in die Schweiz und in Deutschland gingen.
Zwei Ragatala Aufnahmen und die erste LP-Aufnahme mit Tabla-Tarang-Musik
wurden zwischen 1984 und 1986 von Kamalesh Maitra selbst veröffentlicht.
In dieser Zeit arbeitete er auch mit Pandit Ravi Shankar in Paris
für die Musik zu dem Film "Genesis" von Mrinal Sen zusammen. Im
Laufe seiner Karriere als professioneller Musiker wurden unzählige Aufnahmen
auf Singles, Kassetten, LPs und CD-Produktionen veröffentlicht. Seit er
in Europa lebte, spielte er als Gast in verschiedenen Jazz-, Folk-, Rock-
und Popgruppen mit. Daneben produzierte Kamalesh Maitra einen kurzen
Dokumentarfilm mit dem Titel "Tabla - The Indian Drum",
der die verschiedenen Phasen der Tabla-Herstellung zeigt.
Einen lebenslanger Traum verwirklichte sich für Kamalesh Maitra, als seine
Kompositionen für ein Symphonieorchester arrangiert und das erste mal von
einem Jugendorchester der Musikschule Wilmersdorf 1986 und nochmals
vom Kammerorchester Unter den Linden während des Festival of India
"Parampara!" 1992 in Deutschland aufgeführt wurden.
Im Jahr 2000 wurde Kamalesh Maitra mit einem Ehrenpreis für sein Lebenswerk
im Rahmen des Festivals "Musica Vitale - Musikpreis der Kulturen"
in der Werkstatt der Kulturen geehrt. 2003 spielte er anlässlich
der Verleihung des Padmabhushan Titels, durch den Botschafter der Indischen
Regierung an Zubi Meta, auf Wunsch des Geehrten.
Einen weitern Höhepunkt in seinem musikalischen Schaffen stellte die Fertigstellung
und Uraufführung seiner "Raag Symphonia" im Haus der Kulturen der Welt
im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen 2003 in Berlin dar.
1. Während der Aufnahmen zur CD Melody on Drums, 1994.
Kamalesh Maitra (Tabla Tarang),
Trilok Gurtu Tabla) und Laura Patchen (Tanpura).
2. Kamalesh Maitra, ein Auftritt mit Embryo 2003 in Berlin. (Quelle: www.embryo.de)
Bis Ende 2004 trat Kamalesh Maitra als Solist mit seiner Tabla-Tarang im In- und Ausland erfolgreich auf. Zeit seines Lebens war er ein aktiver Musiker und Lehrer. Tourneen führten ihn mit der Tabla-Tarang 1987 in die Vereinigten Staaten und 1989 sowie 1994 nach Indien und führten auch dazu, dass das Vermächtnis, das ihm von seinem Lehrer Uday Shankar mitgegeben wurde, bewahrt blieb. Geachtet als der letzte Virtuose auf diesem seltenen Instrument Tabla-Tarang, war seine Mission, dieses Instrument vor dem Aussterben zu bewahren, mit der Hoffnung, eine jüngere Musikergeneration für die Tabla-Tarang zu inspirieren damit die Arbeit, die er begonnen hatte fortgesetzt wird.
Original Text: Laura Patchen; übersetzt und leicht gekürzt: Norbert Klippstein
Pandit Kamalesh Maitra verstarb am 22. April 2005.
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